Das Kollegsfernsehen (KFS) ist ein medienpädagogisches Angebot am Kolleg St. Blasien, das aktive und kreative Medienarbeit mit digitalen Kommunikationstechniken ermöglichen soll. Es wurde 1981 ins Leben gerufen und ist eines der ersten Schülerfernsehen in Deutschland. Ziel ist die Vermittlung von Medien- und Sozialkompetenzen. Die KFS-Redaktionsgruppe wird von zwei Mentoren begleitet und besteht aus Schülerinnen und Schülern, die die Klassen 9-12 am Kolleg besuchen. Die KFS-Leitung, die von Schülern übernommen wird, setzt sich aus einem Chefredakteur, technischen Leiter, Kamera-, Licht- und Drohnenbeauftragten zusammen.

Das Kollegsfernsehen

Aktuelle Pfingstsendungen:

KFS - Kids: Erklär's mir in 100 Sekunden

KFS-Arbeitshilfe zur Umsetzung eines Schülerfernsehens:

Hartmut Rosa, deutscher Soziologe, geb. 1965
Eine Schule ist ein ebenso lebendiges und vielfältiges wie komplexes Gebilde. Das Schulleben findet auf sehr vielen verschiedenen Ebenen zugleich statt: Vom Keller bis zum Speicher, vom Sportplatz bis zum Theatersaal, von der ersten bis zur neunten, zehnten oder zwölften Klasse, auf dem Pausenhof ebenso wie im Lehrerzimmer oder in der Mensa, im Unterricht, im Einzelgespräch, beim Elternabend. Und wenn es sich um eine Internatsschule handelt, natürlich auf noch viel mehr Ebenen und in noch ganz anderen Räumen. Im günstigen Falle werden alle diese Räume und Sphären zu Resonanzräumen, zu Räumen der Begegnung, in denen junge (und alte) Menschen nicht nur miteinander ins Gespräch kommen, sich berühren, sich irritieren, verwandeln, und manchmal auch streiten, sondern in denen sie auch berührt und bewegt, manchmal aber auch abgetörnt oder gelangweilt werden von Dingen aller Art: Von Pflanzen und Tieren, von Sternen und Wüsten, von religiösen und politischen Ideen, von sportlichen Wettkämpfen oder musikalischen Exkursionen usw. Resonanz meint dabei durchaus nicht einfach Harmonie und Wohlgefallen, sondern meint intensive Erfahrung, die Begegnung mit Anderen und Anderem, die berührt, bewegt, irritiert und dabei verwandelt und transformiert, oftmals in Richtungen und mit Ergebnissen, die niemand vorhergesagt hätte…

Die Einrichtung eines Schülerfernsehens kann ein überaus wirkungsvolles Instrument dafür sein, dieses lebendige Mikrouniversum, den Resonanzraum Schule in seiner Vielfalt ebenso wie in seiner Gesamtheit sichtbar und hörbar und das Leben in ihm spürbar werden zu lassen. Mehr noch: Indem Schülern und Lehrern und vielleicht auch Eltern und Geschwistern dieses Leben in Bildern und Tönen vor Augen geführt wird, ergeben sich neue Impulse, sich diese Schule als Lebensraum neu und noch einmal anders und vielleicht vertieft anzueignen, oder besser: anzuverwandeln, als einen Raum der eigenen Selbstwirksamkeit zu begreifen. Indem ihnen in Bild und Ton vorgeführt wird, was sie täglich so und anders erleben, entstehen zugleich eine Distanz und eine Nähe zur schulischen Lebenswelt, die die Auseinandersetzung über das Schulleben und die Weiterentwicklung schulischer Projekte enorm fördern und auf diese Weise selbst dazu beitragen, dass die Schule ein Resonanzraum sein kann. Wenn die Etablierung des Schülerfernsehens gelingt, kann es zum zentralen Resonanzmedium, zum Ort der Selbstverständigung, der Aneignung und auch der produktiven Auseinandersetzung werden. Das schließt gelegentlichen Streit und wechselseitige Irritationen nicht nur nicht aus, sondern es benötigt sie geradezu. Dissonanzen sind ein notwendiger Bestandteil allen Resonanzgeschehens, wenn sie produktiv aufgegriffen und kreativ transformiert werden. Hierin ähnelt das Schülerfernsehen natürlich durchaus der inzwischen etwas in die Jahre gekommenen Schülerzeitung, mittels derer sich über Jahrzehnte hinweg Schüler die Schule zu ihrer Schule machten und noch immer machen, doch ist das Fernsehen gewiss das zeitgemäßere Medium mit deutlich mehr Möglichkeiten und einem höheren ‚Stimulationswert‘.

Schülerfernsehen gelingt, wenn die Beteiligten – die Schüler, die Mentoren und Tutoren und die involvierten Lehrkräfte – es ihrerseits als ein Instrument zur Erschließung und kreativen Aneignung von Welt verstehen und wenn es die Arbeitsgruppe schafft, selbst einen kleinen Resonanzraum zu bilden. In diesem Raum begegnen Schüler zunächst einander, dann aber auch den Lehrern, den Eltern, der Schulleitung und ebenso den technischen Geräten, mit denen sie hantieren, auf eine neue Weise, sie lernen, die Welt mit anderen Augen – durch die Kamera – zu sehen und zu hören und dadurch neu zu gestalten, und dieser Impuls kann sich dann durch die ganze Schule fortsetzen. Als Instrument der gemeinsamen und kreativen Weltaneignung ermöglicht das Schulfernsehen eine ganze Palette an unterschiedlichen Selbstwirksamkeitserfahrungen, die für jede Art von Bildung essentiell sind: Wenn ihnen eine Produktion gelingt, dann haben die Schüler ihre Schule ‚zum Sprechen‘ gebracht, haben sie Kamera und Mikrophone, Videobearbeitungsprogramme und Computer, Lichtquellen und vielleicht Drohnen und viele andere Geräte einsetzen gelernt, und vielleicht haben sie auch Schulleiter und Bürgermeister, Passanten auf der Straße und Nachbarn, Bäcker und Getränkehändler oder Politiker und Unternehmer dazu gebracht, sich auf ihre Schule einzulassen, sich mit ihr auseinanderzusetzen, die Lebenswelten in Beziehung zu setzen. Das Schülerfernsehen kann damit sogar noch eine weitere Funktion erfüllen: Es beschränkt sich durchaus nicht auf den Binnenraum der Schule, sondern macht die vielen Fäden sichtbar, mit denen diese Schule mit der ‚Welt da draußen‘ verknüpft und verbunden ist, und es zeigt einen Weg, wie Schüler an dieser Welt aktiv teilnehmen, sie mit verändern und ein wenig sogar mit gestalten können. Nicht selten können auf diese Weise von der am Anfang vielleicht belächelten „Fernseh-AG“ Impulse ausgehen, die nicht nur das Schulleben intensivieren und verbessern, sondern den zentralen Platz der Schule im sozialen Leben der Stadt und des weiteren Umfeldes sichtbar werden lassen. Dann stiftet das Schülerfernsehen in der Tat veritable, vibrierende Resonanzdrähte zur Welt!

Prof. Dr. Hartmut Rosa